Das cleverste Gedicht, dass ich je gelesen habe
Ich habe vor ein paar Wochen eine Doku von dem dänischen Filmemacher Mads Brügger gesehen, sie heißt „The Red Chappell“. Kurz gesagt geht es in dem Film um Folgendes: Der Filmemacher reißt zusammen mit zwei dänischen Comedians, die beide aus Südkorea nach Dänemark adoptiert wurden, nach Nordkorea um, wie er selber sagt, zu zeigen wie Brutal das Regime und die Zensur und die Propaganda dort ist.
Die beiden Comedians heißen Jacob Nossell und Simon Jul. Ersterer leidet seit seiner Geburt an Spastiken. Dies ist in dem Film ein Thema, da Nordkorea im Verdacht steht nicht gerade gut mit behinderten Menschen umzugehen. Laut Wikipedia gibt es einen Bericht der Associated Press, aus dem Jahr 2006, über einen nordkoreanischen Arzt, der aus dem Land geflohen ist, der sagt, dass Babys, die in Nordkorea mit einer Behinderung geboren werden, umgebracht werden.
Auch steht in dem Wikipedia Artikel, dass Menschen mit Behinderung in spezielle Lager gebracht werden und dort unter den unmenschlichsten Bedingungen leben.
Auf jeden Fall wird Jacob Nossell, der Comedian, der an Spastiken leidet, besonders gut behandelt, während er mit den beiden anderen in Nordkorea ist. Das Trio ist in das Land gereist, unter dem Deckmantel von kulturellem Austausch. Der Vorwand geht so: Die beiden verlorenen koreanischen Söhne wollen zum ersten Mal in Ihr Mutterland zurückkehren, um dort einige Ihrer Bühnenstücke zu performen.
Sie performen unter anderem das Märchen „The Princess and the Pea“ von dem dänischen Schriftsteller Hans Christian Andersen, das in Deutschland auch relativ bekannt ist. Es ist eine wilde Performance, laut, vulgär usw. Alles passiert natürlich immer unter der Aufsicht der Nordkoreaner. Diese versuchen den Besuch der beiden laut dem Film für Ihre Propaganda zu nutzen, nach dem Motto: „Schaut mal, wir haben gar nichts gegen Menschen mit Behinderung und wir sind ein offenes, kulturell interessiertes Land“.
Und so wollen die nordkoreanischen Aufpasser die Stücke der beiden umschreiben, sodass diese besser in die Propaganda des Landes passen. Es ist auf jedenfalls ein wahnwitziger Trip und ich kann die Doku sehr empfehlen.
Der Filmemacher Mads Brügger spielt in der Doku selbst auch eine große Rolle. Gefilmt und geschnitten wurde das Ganze laut Wikipedia von René Sascha Johannsen.
An einem Punkt in dem Film liest Mads Brügger, vor einer Statue von Kim Il-Sung, ein Gedicht des dänischen Universalgelehrten Piet Hein vor. Das Gedicht geht so:
What Love is like
Love is like
A pineapple
sweet and
undefinable
Das Gedicht hat mir gut gefallen, also habe ich mal im Internet gesucht, wer Piet Hein war. Laut Wikipedia war er ein Universalgelehrter oder auf Englisch ein Polymath. Das heißt, er war in vielen Dingen sehr, sehr gut. Er war laut Wikipedia Mathematiker, Erfinder, Designer, Schriftsteller und Poet.
Auch hat er sich damals, als die Deutschen in der Nazizeit Dänemark besetzt haben, dem Widerstand angeschlossen. Und seine beste Waffe gegen die Besetzer war das Schreiben. So hat er damals sein erstes sogenanntes “grook" geschrieben. Das Wort hat er selbst erfunden und es beschreibt seine kurzen Gedichte, von denen er laut Wikipedia über 10.000 Stück geschrieben hat.
Auf jeden Fall hat er damals, aus Protest gegen die Deutsche Besatzung folgendes grook geschrieben, das cleverste Gedicht, das ich je gelesen habe. Ich hab aber auch höchstens 4 oder 5 Gedichte in meinem Leben gelesen. Hier ist es:
CONSOLATION GROOK
Losing one glove
is certainly painful,
but nothing
compared to the pain
of losing one,
throwing away the other,
and finding
the first one again.
Das grook wurde damals nicht von der Zensur der Deutschen verboten, da sie die Bedeutung nicht verstanden haben.
Die dänische Bevölkerung aber hat die Bedeutung damals laut Wikipedia verstanden und das Gedicht wurde zu einer absoluten Legende. Es wurde überall an Wände gemalt und gesprüht.
Und hier die Bedeutung:
Selbst wenn einem seine Freiheit weggenommen wird ("Loosing one glove"), sollte man nicht seinen Patriotismus und seine Selbstachtung wegschmeißen, indem man mit den Nazis kollaboriert ("throwing away the other glove"), denn das Gefühl, sein Land verraten zu haben, wird dann schmerzhafter sein, wenn man irgendwann seine Freiheit zurückbekommt ("finding the first glove again"). Denn dann hat man seine Freiheit (first glove) wieder, aber hat sein Land und sich selbst verraten (throwing away the other).
Ich finde, das Gedicht passt auf sehr viele Situationen im Leben. Ich bin seitdem ein Fan von den grooks und von Piet, der echt einen beeindruckenden Lebenslauf hat. Ich habe mir in den letzten Tagen auch ein Buch mit ein paar der grooks gekauft, wenn du Interesse hast, hier kannst du es kaufen.
Der Filmemacher Mads Brügger hat im Jahr 2020 einen weiteren Film über Nordkorea gemacht: “The Mole: Undercover in North Korea”. In diesem begleitet der Zuschauer einen „Spion“ namens Ulrich Larsen nach Nordkorea, der alle möglichen Waffendeals und Drogengeschäfte in dem Land aufdeckt. Hier kannst du ihn auf Youtube sehen.
Vielen Dank fürs Lesen.